Yoga und die Verstrickungen des Geistes – Die fünf Kleshas und wie du sie lösen kannst
- roswithayoga
- 26. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Erfahre, was die fünf Kleshas im Yoga bedeuten – die Ursachen unseres Leidens – und wie du sie mit Bewusstheit, Sanftheit und Geduld lösen kannst. Ein Artikel über das Symbol des Wollknäuels, das Loslassen und innere Freiheit.
Ein Weg zu innerer Freiheit
In unserem Leben verstricken wir uns immer wieder – in Gedanken, Beziehungen, Erwartungen, Rollen oder alte Geschichten. Wir merken es daran, dass wir festhalten, statt frei zu fließen. Dass etwas in uns zieht, klebt oder sich wiederholt.
Im Yoga gibt es für diese inneren Verstrickungen einen Namen: Kleshas (Sanskrit: क्लेश). Patanjali beschreibt in den Yoga Sutras (2.3–2.9) fünf Kleshas, die in jedem Menschen wirken. Sie sind die Schleier oder Ursachen unseres Leidens – die feinen Fäden, aus denen sich unser „Wolkenknäuel“ des Geistes spinnt.

Wenn du schon einmal ein verheddertes Wollknäuel in der Hand hattest, kennst du das Prinzip: Zieht man zu fest daran, werden die Fäden nur noch enger. Je mehr man kämpft, desto dichter und fester wird der Knoten.
Doch wenn du still wirst, Geduld übst und Faden für Faden nachgehst, beginnt sich das Knäuel sanft zu lösen. Es braucht Zeit, Aufmerksamkeit und eine liebevolle Haltung.
Und wie echte Wolle: Wenn du sie zu heiß oder zu fest wäschst, schrumpft sie – sie verliert ihre Weichheit. So ist es auch mit uns. Wenn wir zu streng mit uns sind, verhärtet sich unser Inneres. Erst durch Sanftheit, Wärme und Vertrauen öffnet sich wieder alles.
✨ Das Knäuel löst sich nicht durch Zwang, sondern durch Sanftheit und Geduld.
Die fünf Kleshas im Yoga – Die Wurzeln des inneren Leidens
Das Wort Klesha (Sanskrit: क्लेश) bedeutet „Leidensursache“ oder „inneres Hindernis“. Die Kleshas sind laut Patanjali (Yoga Sutra 2.3 - 2.9) die fünf Grundursachen des menschlichen Leidens – die Verstrickungen unseres Geistes.
Avidyā – Unwissenheit, das Vergessen unseres wahren Selbst. (Wir halten uns für getrennt, klein, unvollständig.)
Asmitā – Ego-Identifikation („Ich bin das, was ich tue / habe / zeige“).
Rāga – Anhaftung an das Angenehme („Ich will, dass es so bleibt“).
Dveṣa – Ablehnung des Unangenehmen („Das darf nicht sein“).
Abhiniveśa – Angst vor Veränderung und Tod, Festhalten am Bekannten.
Diese fünf wirken subtil in unserem Alltag – sie sind die inneren Knoten, die uns im Kreis drehen lassen.
1 Avidyā – Unwissenheit
Sanskrit: अविद्या
Avidyā ist die Wurzel aller Kleshas – das Vergessen unserer wahren Natur, unseres wahren Wesens. Wir glauben, wir seien nur Körper, Rollen, Geschichten oder Gedanken, statt das Bewusstsein zu erkennen, das all das erfährt.
Wir verwechseln das Vergängliche mit dem, was ewig ist.
Aus dieser Unwissenheit entstehen Angst, Mangelgefühl und Trennung.
Praxis: Erinnere dich durch Meditation oder stilles Sein daran: Ich bin nicht mein Körper, nicht meine Gedanken – ich bin Bewusstsein, das alles wahrnimmt.
💫 Beispiel: Wenn du denkst: „Ich bin nicht gut genug“ oder „Ich muss jemand sein, um geliebt zu werden". Du identifizierst dich völlig mit deinem Körper oder deiner Leistung. Wenn sich dein Körper verändert oder du nicht „funktionierst“, leidest du.
2 Asmitā – Ego-Identifikation
Sanskrit: अस्मिता
Aus Avidyā entsteht Asmitā – das Ego-Bewusstsein, das „Ich“ und „Mein“ erschafft. Hier entsteht das Gefühl: Ich bin getrennt. Das Ego formt sich und sagt: Ich – und die anderen. Wir identifizieren uns mit unseren Rollen: Mutter, Partnerin, Freundin, Kollegin.... Wenn diese Rollen bedroht sind, entsteht Schmerz.
Wir definieren uns über Leistung, Aussehen, Beziehungen, Spiritualität –und verlieren den Kontakt zum einfachen, stillen Sein.
Praxis: Erinnere dich daran, dass du mehr bist als deine Rollen. Begegne anderen aus dem Herzen, nicht aus dem Ego. Wahre Begegnung geschieht jenseits von „Ich und Du“ – in der Seele.
Wenn du mit anderen praktizierst oder singst, spüre: Hinter allen Formen sind wir Ausdruck derselben Quelle.
💫 Beispiel: Du bekommst Kritik und fühlst dich persönlich verletzt –weil dein Ego denkt, es müsse perfekt sein.
3 Rāga – Anhaftung an das Angenehme
Sanskrit: राग
Rāga ist das süße, klebrige Klesha – die Anhaftung an das, was uns Freude bereitet. Es ist nichts Falsches daran, Schönes zu genießen. Wir wollen Freude, Nähe, Erfolg – und wünschen, dass sie nie vergehen. Wir wollen, dass etwas bleibt, dass es schön, leicht, vertraut ist. Doch alles verändert sich. Leid entsteht, wenn wir nicht mehr loslassen können, wenn wir das Angenehme erzwingen oder festhalten wollen.
Praxis: Du möchtest, dass eine besondere Erfahrung – ein Urlaub, eine Liebe, ein Gefühl – nie vergeht. Und sobald sie endet, spürst du Mangel.
Beobachte, wo du dich festhältst – an Menschen, an Ideen, an Zuständen. Übe das Loslassen mit Vertrauen: Was wirklich zu mir gehört, bleibt – ohne mein Festhalten.
Genieße das Schöne bewusst – und übe, es gehen zu lassen. Wie der Atem, der nur fließt, wenn du ihn nicht festhältst.
💫 Beispiel: Du möchtest, dass eine glückliche Phase oder Beziehung ewig anhält – und leidest, wenn sie sich wandelt.
4 Dveṣa – Ablehnung des Unangenehmen
Sanskrit: द्वेष
Dveṣa ist das Gegenteil von Rāga – die Abneigung gegen das, was weh tut oder unangenehm ist. Wir fliehen oder vermeiden Schmerz, Kritik, Verlust oder Unsicherheit, doch das, was wir vermeiden, bleibt als Spannung in uns bestehen. Was wir verdrängen, bindet uns umso stärker. Mit Bewusstsein wird selbst Schmerz zu einer Form von Energie, die sich verwandeln darf.
Praxis: Wenn etwas Unangenehmes auftaucht, bleib präsent. Atme hinein in das, was da ist – auch wenn es unbequem ist. Erlaube dir, alles zu fühlen, was gefühlt werden will. Oft verwandelt sich das, was du ablehnst, in Erkenntnis/Weisheit, sobald du es annimmst.
💫 Beispiel: Du vermeidest einen Konflikt oder ein unangenehmes Gespräch –und trägst die Unruhe im Inneren weiter.
5 Abhiniveśa – Angst vor Veränderung und Tod
Sanskrit: अभिनिवेश
Abhiniveśa sitzt tief – die Angst, das Bekannte zu verlieren. Es ist der Urinstinkt des Überlebens, der auch spirituell wirkt: Wir klammern uns an Sicherheit, Gewohnheiten, Beziehungen, Glaubenssätze. Selbst Menschen mit tiefer Praxis spüren dieses Klesha. Es zeigt sich in der Angst vor Alter, Verlust, Kontrollverlust – oder davor, wirklich loszulassen, und sich dem Leben hinzugeben. Das Leben ist Veränderung. Wenn wir uns an das Alte klammern, verhindern wir Wachstum.
Praxis: Erinnere dich an die Natur: Alles wandelt sich, nichts bleibt. Alles verändert sich – der Atem, die Jahreszeiten, du selbst –alles, was vergeht, macht Platz für Neues.
Übe Vertrauen – in den Fluss des Lebens, in die Kraft, die dich trägt. Meditation über den Atem, die Zyklen des Mondes oder das Sterben alter Anteile kann tief heilend wirken. Wenn du lernst, im Wandel zu ruhen, entsteht tiefer Frieden.
💫 Beispiel: Du weißt, dass eine Veränderung ansteht – ein neuer Weg, ein Ende, ein Neubeginn – und trotzdem hält dich Angst zurück.
Yoga - der Weg der Auflösung den Kleshas

Yoga bedeutet nicht, die Kleshas zu bekämpfen, sondern sie zu erkennen. Die Kleshas sind keine Feinde, sondern Lehrer. Wenn du sie mit Bewusstheit betrachtest, verlieren sie ihre Macht.
Jedes Mal, wenn du sie erkennst, löst sich ein Faden aus dem Wolkenknäuel. Du musst nichts bekämpfen – nur klar sehen.
Yoga, Meditation, Klang und Achtsamkeit sind Wege, dies zu entwirren.
Achtsamkeit bringt Licht in das Unbewusste.
Meditation beruhigt die Bewegungen des Geistes.
Hingabe (Bhakti) Mantren - öffnet das Herz und macht weich.
Du musst das Knäuel nicht sofort entwirren – du darfst ihm mit Liebe begegnen.
Fazit: Das Wolkenknäuel darf sich lösen
Die fünf Kleshas sind wie Schatten, die dich einladen, dein Licht zu erkennen. Sie sind keine Fehler, sondern Einladungen zur Erinnerung. Sie sind Teil des Menschseins – aber sie müssen dich nicht binden. Sie lehren dich Geduld, Mitgefühl und Achtsamkeit.
Mit jedem bewussten Atemzug löst sich ein Faden. Mit jeder liebevollen Geste weitet sich der Raum.

Das verknotete Wollknäuel war nie dein Feind – es war dein Lehrer.
Und irgendwann erkennst du: Du warst nie verstrickt –du hast dich nur vergessen.
Und wenn du still wirst, erkennst du: Du warst nie verstrickt – du warst immer frei.
Viel Freude beim Entwirren.
Wenn dich dieses Thema anspricht, komm gern zu meiner Yoga Einheit oder Stille Retreat – dort tauchen wir gemeinsam in die Stille ein, in Klang, Bewegung und Bewusstheit.
Schritt für Schritt. Faden für Faden. Atemzug für Atemzug.



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